Nützliches von Überflüssigem zu trennen, ist vermutlich selten so schwer wie auf der PGA Merchandise Show, der weltgrößten Golfmesse. Jedes Jahr im Januar trifft in Orlando Nippes auf Weltneuheit, das fortschrittlichste Kunststoff-Holz-Tee auf den Driver mit verwrungener Schlagfläche. Seit zehn Jahren reist Fachhändler Jan Götze aus Weiterstadt Jahr für Jahr nach Florida. Er hat Erfahrung bei der Materialauslese und gesteht dennoch: „Ich habe auf der Messe auch schon mal eine halbe Palette Toilettenpapier geordert.“ Immerhin habe er kein schlechtes Händchen gehabt. Die Klorollen mit dem Motiv 19. Loch habe er in seinen Geschäften überraschend zügig verkauft.
Mit gerahmten Golfbildern erging es Götze anders. Die sahen im Scheinwerferlicht der Messehallen noch verführerisch aus. „Im Laden hat sich dafür niemand interessiert“, erinnert sich Götze, der die Kunstdrucke letztlich ins eigene Büro hängte. Denn längst nicht alles, was auf der anderen Seite des Atlantiks bejubelt wird, findet in Deutschland auch Käufer. Geschmäcker sind verschieden. „Bekleidung ist ein ganz schweres Thema, weil die Amerikaner andere Schnitte haben und 90 Prozent der Ware den Golfern hierzulande nicht passt“, hat der Fachhändler lernen müssen. Darum hält er sich inzwischen zurück. Ähnliches gelte für Trainingshilfen, die in den USA reißenden Absatz fänden. „Bei uns geht man zum Pro und therapiert sich nicht selbst“, sagt Götze.
Götze: "Tag auf der PGA Show Orlando härter als 36 Löcher Golf"
Die PGA Merchandise Show mit ihren mehr als 1100 Ausstellern ist wie jede Leitmesse alljährlich auch ein Stimmungstest. Wie geht es der Branche? Wie gesund ist Golf? Nach Jahren der Rezession, gehe es langsam wieder bergauf, war diesmal Jan Götzes Gefühl. Die USA – Trendsetter und größter Markt für Golfprodukte – hätten die Talsohle durchschritten, Golf wachse wieder, das verbessere natürlich die Stimmung bei Ausstellern und Messebesuchern. „Für mich ist die Messe wie ein Schlaraffenland“, schwärmt Götze. „Ich fühle mich dort wie ein Kind im Süßigkeitenladen und tanke durchaus Motivation für die Saison zuhause im Geschäft.“ Trotzdem seien die Tage in Orlando harte Arbeit. In den Hallen liege dicker Teppich, das mache einen Messetag anstrengender als 36 Löcher Golf.
Alles zu sehen, ist schier unmöglich – trotz der vier Tage, die die PGA Merchandise Show einschließlich des Demotags läuft. Besonders aufgefallen ist Jan Götze allerdings ein neues Markierungsspray, das zukünftig das lästige Versetzen von Ballmarkern vergessen machen soll. Das Spray ist natürlich nicht so erhaben wie die Freistoßssahne der Fußballschiedsrichter, verschwindet aber ebenso nach 15 Minuten. „Ich habe vergessen, eine Dose mitzunehmen“, entschuldigt sich Götze. Der Leidensdruck war wohl nicht groß genug, da haben es Innovationen schwer.
Bestellt hat der Fachhändler dagegen acht Driver, deren Schlägerkopf so groß ist wie der Golfball selbst: „Ich musste erstmal lachen, als ich diesen geschrumpften Driver gesehen habe.“ Der Schläger namens Bomb-It bestrafe den kleinsten Fehlschlag. Er erzwinge höchste Konzentration und beschere einen spürbaren psychologischen Effekt. Wer nach einer kleinen Einheit seinen normalen Driver wieder in die Hand nehme, fühle sich automatisch deutlich zuversichtlicher.
Nächstes Jahr geht es für Götze wieder nach Orlando
Die aufsehenerregendste Neuheit der diesjährigen PGA Merchandise Show ist derweil die Twist-Face-Technologie von Hersteller TaylorMade. Die gebogene Schlagfläche gleicht die beiden häufigsten Fehltreffer von Golfern aus: tief an der Ferse (heel) oder hoch an der Spitze (toe) des Schlägerkopfes. Eine Krümmung an beiden Stellen sorgt für eine geringere seitliche Abweichung als bei unsauberen Treffern mit anderen Drivern. Die Fachwelt diskutiert nun, wie revolutionär diese Entwicklung ist.
Grundsätzlich gehe der Trend zu hochwertigeren Schlägern, beobachtet Jan Götze. Da die meisten Hersteller ihre neuesten Technologien und Topprodukte aber nur für Männer anbieten, nutzt Götze das Treffen mit den Chefentwicklern und Markenvorständen in Florida auch immer, um auf die weibliche Kundschaft in Deutschland hinzuweisen. Der Anteil an Golferinnen liege in den USA bei nur 18 Prozent, in Deutschland aber bei 40, berichtet er dann. Und dass es für Spitzenprodukte hierzulande Kundinnen gebe. „Ich schaue dann immer wieder in fragende Gesichter, weil sich viele Amerikaner nicht vorstellen können, dass eine Frau 500 Euro für einen Driver ausgibt.“ Einer von vielen Gründen, warum Jan Götze nächstes Jahr wieder zur PGA Show Orlando besucht.