Guter Drive, der Zweite auf dem Grün, alles prima. Ein offenbar guter Golfer stand am Abschlag. Bis ihn eine Putt-Orgie entlarvt. Die kann sich auch mal über vier Schläge hinziehen und ist der Killer für jeden Score. Denn jeder Streichler auf dem Grün zählt nun mal genauso wie der Mega-Drive. Damit es auf den Grüns nicht zur Katastrophe kommt, gibt Christian Marquart seit gut 20 Jahren Golfclubs, Trainern und Tourspielern in aller Welt das Ergebnis seiner Forschung an die Hand: das SAM PuttLab. Science and Motion (SAM) mit Sitz in Flörsheim und München steht heute für die weltweit führende Technologie in der Putting-Analyse.
Christian Marquardt, geboren in Frankfurt am Main, hat vor dem Putten den allerhöchsten Respekt, seit er sich der Disziplin wissenschaftlich genähert hat. „Das ist halt eine besondere Herausforderung für das Gehirn. Eine Präzisionsbewegung, die man lernen kann, aber auch oft genug daran scheitert“, so der Wissenschaftler. Sein PuttLab ist eine Art Pendant zum Trackman, dem radar-basierten Messgerät für den Golfschwung. Auch mit dem PuttLab wird Bewegung analysiert: Schlagflächenstellung, Schwungbahn, Rhythmus und Eintreffwinkel. „Wir sehen auch die Zeitabläufe, erkennen, was die Hand macht. Funktioniert das synergetisch oder nicht, oder gibt es komische Dinge im Bewegungsablauf, die da nicht hingehören?“, so der Erfinder des Golf-Mini-Labors.
Sein Gerät entlarve teils recht frustrierende Dinge, sagt der 63-Jährige. Oft hätten Spieler ein grundlegendes Problem mit der Wahrnehmung. Sie seien quasi orientierungslos. „Die richten sich irgendwie aus, in der festen Meinung, die Richtung zum Loch zu kennen, liegen aber völlig falsch.“ Das SAM PuttLab analysiert dies gnadenlos.
Science and Motion hat heute acht Mitarbeiter und macht einen Jahresumsatz von 1,3 Millionen Euro. Der Firmenname, zu Deutsch: Wissenschaft und Bewegung, eignet sich gut, um Christian Marquardt zu beschreiben. Promoviert hat er auf dem Gebiet der physikalischen Medizin. Die Motorik ist heute sein Spezialgebiet. Und wer dann gleichzeitig den Golfschläger schwingt, kommt vielleicht unweigerlich zu einer Erfindung, die zwar in Deutschland entwickelt wurde, aber ihren Siegeszug in den USA startete.
Putt-Guru wollte SAM PuttLab übernehmen
Vor 20 Jahren, so erzählt es Marquardt, habe er mit einem Prototyp dem Präsidenten des Golfclubs München-Beuerberg dessen Yips ausgetrieben, also die vor allem beim Putten auftretenden plötzlichen unwillkürlichen, ruckartigen Muskelzuckungen. Wenig später traute sich Marquardt, sein System bei einer kleinen Messe vorzustellen. Hank Haney, einst Trainer von Tiger Woods, war ein Stargast dieser Produktschau, sah das komische Gerät, war sofort begeistert und lud Marquardt in die USA ein. Dort traf der Deutsche dann auf den bis dato größten Putt-Guru des Golfs, Dave Pelz. Der bot Marquardt eine Menge Geld dafür, wenn er, der Amerikaner, das unfertige Ding weiterentwickeln dürfte. Marquardt lehnte ab.
Stattdessen arbeitete er jahrelang erfolgreich mit zahlreichen PGA-Profis, darunter Padraig Harrington, und verfeinerte darüber auch sein Analysegerät. Über den Kontakt zu Haney wurde Tiger Woods als einer der ersten Großen der Branche auf den jungen Mann aus Deutschland und dessen Erfindung aufmerksam. Woods, so erinnert sich Marquardt, habe zum Beispiel analysieren lassen, wie wenig seine Ausrichtung stimmt. Er sei sich komplett bewusst gewesen, dass er eigentlich gar nicht aufs Loch ziele. Und: Woods puttete damals wie heute aus dem Handgelenk – entgegen jeder Lehrmeinung. Ein Relikt aus der Kindheit. Der Vater hatte es ihm so beigebracht.
Woods würde und könnte das um des Erfolges willen niemals mehr ändern. Aber er wollte von Marquardt dennoch eine exakte Analyse. Die führte immerhin dazu, dass Woods fortan bei bestimmten Lagen seine Ausrichtung änderte, wenn diese einen sanfteren, somit risikoärmeren Putt erforderten.
Marquardts PuttLab kann Profis Millionen von Dollars bringen und dem Bogey-Spieler den Score retten – immer basierend auf wissenschaftlichen Daten. Seine Technologie ist vor allem bei Golfclubs und deren Trainern im Einsatz, um den Hobbyspielern den Drei-Putt auszutreiben. Für sie hat Marquardt auch einen ganz einfachen Tipp: „Wer aufs Grün geht und meint, das mit dem Putten läuft heute gar nicht, wird auch in der Folge nicht erfolgreich putten. Es gilt dasselbe wie vor einer Treppe. Da überlege ich auch nicht, wie und ob ich es schaffe, da runterzukommen.“ Putten gehe am besten mit Ritualen einher, auch auf Topniveau. „Es gibt da auf der Tour die komischsten Dinge, richtige Macken“, so Marquardt
Wer seinen festen Pfad immer beschreite, mache es sich leichter. Wer dagegen mit Bewegungen oder Abläufen hadere, begebe sich in eine Negativspirale. Christian Marquardt hat auch Biathleten wissenschaftlich begleitet. „Wer da zum Beispiel seine Rituale vernachlässigt, verliert sich am Schießstand oft komplett.“ Wer sich einem Putt mit einem Ritual nähert, mache vieles richtig.