Schlechtes Wetter kann keine Ausrede sein. Wer so viel Termine hat wie Fraport-Chef Stefan Schulte, der kann auf Regen keine Rücksicht nehmen – sonst käme er gar nicht mehr zum Golfen. Schulte hat sich eine wasserdichte rote Jacke übergezogen, aus dichten grauen Wolken tröpfelt es. Über ihm ist von Osten her die zweite morgendliche Anflugwelle auf den Frankfurter Flughafen im Gange. „Als ich in den Frankfurter Golf Club gekommen bin, hat jemand gewitzelt, ich würde von hier aus die Buchführung machen“, berichtet der 56-Jährige als er seinen Ball auf dem Abschlag von Loch 10 aufteet.
Seit diesem Jahr spielt der Chef von Deutschlands größtem Flughafen im Traditionsclub in Niederrad. „Ich finde den Platz wunderschön und hoffe, dass ich durch die Nähe von Golfclub und Flughafen zukünftig häufiger zum Spielen komme“, erklärt Schulte. Mehr als zwei, drei Mal habe er es in dieser Saison aber noch nicht nicht geschafft. Wenn, dann sei für ihn eher abends eine knappe Stunde auf der Driving-Range drin.
Stefan Schulte weiß, wo er Golf einzuordnen hat
Vereinbart sind an diesem Morgen neun Löcher und oben drauf ein Mulligan für Schultes ersten Drive, der mit Abflugschwierigkeiten nach dreißig Metern irgendwo links im Kraut abstürzt. Der zweite Versuch landet dann planmäßig und butterweich auf dem Fairway. „Ich kann mich nicht richtig ärgern über schlechte Schläge“, sagt Schulte. Dafür investiere er schlicht zu wenig in sein Golfspiel. Eine gesunde Einstellung. Viele Führungskräfte, die dauerhaft und Strom und Erfolgsdruck stehen, verfolgen ihre haushohen Ansprüche auch in der Freizeit. Schulte, der mit der Fraport AG einen Jahresumsatz von etwa 2,6 Milliarden Euro macht und Verantwortung für mehr als 20.000 Mitarbeiter trägt, weiß, wo er Golf einzuordnen hat.
Über das Bogey an Loch 10 kann er sich stattdessen freuen. „Ich glaube, mein Handicap lag irgendwann mal bei 30“, sagt Schulte. Da er keine Golfturniere spiele außer beim jährlichen Fraport-Event, mache er sich darüber auch keinen Kopf. „Wenn ich irgendwann mal nicht mehr arbeite und die nötige Zeit habe, werde ich sicher mehr Golf spielen.“ Seine Pläne seien in diesem Bereich eher langfristig angelegt.
Und doch arbeitet Schulte auch jetzt schon systematisch, um sich zu verbessern. „Er ist genau wie ich eher ein Schlacksi und hat es daher schwer mit der Körperstabilität“, sagt Schultes Golflehrer Manfred Brinkrolf. Schultes Technik sei anfangs eher autodidaktisch und etwas wild gewesen. „Die Schläge waren zwar gut, aber wir versuchen, ein bisschen mehr Sicherheit und Wiederholbarkeit zu erreichen“, erklärt Brinkrolf. Sein prominenter Schüler beeindrucke ihn vor allem mit seiner Geduld und der Entschlossenheit zu üben. „Er hat auf jeden Fall ein großes Entwicklungspotenzial.“
Seit 2004 spielt Stefan Schulte Golf
2004 hat Stefan Schulte Golf entdeckt und zusammen mit seiner Frau die Platzreife gemacht, bei einem Urlaub am Fleesensee in Mecklenburg-Vorpommern. „Meine Frau hatte erst große Vorbehalte wegen der gängigen Golfklischees“, erinnert sich Schulte. Aber als dann ein etwas schluffig lockerer Pro mit Bart um die Ecke kam, der noch dazu in einem Wohnwagen übernachtete, sei das Eis gebrochen gewesen. Dort in Fleesensee habe er auch sein bisher beeindruckendstes Golferlebnis gehabt: „Zusammen mit einer meiner Töchter war ich schon morgens um sieben auf dem Platz, die Sonne ging auf und eine Herde Rehe querte die Spielbahn“, schwärmt Schulte. Dieses Bild hat sich eingebrannt. Der Hauptsport in seiner Familie sei dennoch das Reiten. Seine Tochter Frederike ist erfolgreiche Springreiterin und war sogar schon zweimal Hessenmeisterin.
Der Regen hat aufgehört und Stefan Schulte hat seine Jacke im Golfbag verstaut. An Loch 15 – ein Par 5 mit anspruchsvoll onduliertem Grün – gelingt ihm der Schlag des Tages. Vom Vorgrün puttet er den Ball aus fast 20 Metern direkt ans Loch. Auch die Abschläge sitzen nach dem anfänglichen Malheur beeindruckend sicher. Immer wieder zieht Schulte am Tee selbstbewusst den Driver aus dem Bag – kein einziges Mal auf der Runde dagegen sein Smartphone. Dabei wartet gegen 10 Uhr sicher schon ein ganzer Haufen E-Mails auf ihn. Was macht der Kurs der Fraport-Aktie? „Für mich ist Golf der einzige Sport, bei dem ich wirklich entspannen kann“, sagt Schulte. Das habe er gemerkt, als er nach der Rückkehr aus einem Golfurlaub das Passwort für seinen Computer vergessen hatte. So etwas schweißt natürlich zusammen.
Seine schönsten Golfurlaube habe er in Belek verbracht, erzählt Schulte. Quasi ein Heimspiel für ihn, da die Fraport AG auch den Flughafen im benachbarten Antalya betreibt. „Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen finde es sehr schade, was gerade in der Türkei passiert, und dass viele Golfer und andere Touristen nicht mehr in die Türkei fliegen“, bedauert Schulte. Er sei aber sehr optimistische, dass sich die Verhältnisse bald wieder entspannen und Normalität einkehrt.
Vor lauter Politik geht das Notieren der Ergebnisse zwischenzeitlich unter. Am 18. Loch, einem wirklich höllisch langen Par 4, locht Schulte seinen fünften Schlag ein und schmunzelt. Ein Morgen auf dem Golfplatz, Sonne – das hätte das Zeug dafür, sich einzubrennen.