Herr Dr. Luft, Sie werden am 11. November 100 Jahre alt. Damit dürften Sie zu den ältesten aktiven Golfern in Deutschland zählen. Haben Sie den richtigen Moment verpasst, um aufzuhören?
Dr. Helmut Luft: Keinesfalls. Ich kann alle Golferinnen und Golfer nur ermutigen: Niemand sollte leichtfertig aufhören, Golf zu spielen. Sicher verdanke ich auch dem Golf, dass ich dieses Alter erreicht habe. Draußen auf dem Platz zu sein, erhält meine Kondition, und es macht mir noch immer unheimlich Spaß. Auch wenn meine Schläge kürzer und mein Spiel langsamer geworden ist. Was mich zugegebenermaßen bedrückt, ist, dass ich nicht früher begonnen habe. Sollte ich eines Tages wiedergeboren werden, dann fange ich schon als Kleinkind an, so wie Tiger Woods.
"In Kronberg hat man meine Unlust durchschaut"
Sie waren Nervenarzt und Psychoanalytiker, haben bis zum Alter von 75 eine Klinik mit 100 Patienten geleitet. Wie ließ sich das mit ihrer Golfliebe vereinen?
Dr. Helmut Luft: Das ist ja das Problem. Meine Arbeit hat erst gar keine Liebe zu Golf aufkommen lassen. Das ist etwas für Müßiggänger, habe ich gedacht. So ein zeitintensives Hobby kann ich vor mir selbst als Klinikleiter nicht verantworten. Eigentlich bin ich 1978 nur aus Liebe zu meiner golfbegeisterten Frau und unseren Kindern in den Frankfurter Golf Club eingetreten. Wir hatten es zuvor im Golf- und Land-Club Kronberg versucht, aber dort hat man meine Unlust offensichtlich durchschaut und mich abgelehnt.
Wie wurde aus dem großen Muffel der Golfverfechter, der Sie heute sind?
Dr. Helmut Luft: Als ich mit 75 Jahren in den beruflichen Ruhestand gegangen bin, habe ich mich erstmals wirklich seriös mit Golf auseinandergesetzt. Ich musste feststellen, dass ich alles andere als begabt war. Bis dahin war ich gewohnt, Dinge zu erreichen, die ich mir vorgenommen habe. Beim Golf wollte mir das nicht gelingen – anders als meiner Frau. Mich hat die Wut gepackt. Ich habe dann ein Buch darüber geschrieben, „Golf ist ganz einfach“. Darin habe ich meinen ganzen Frust verarbeitet. Mein Golflehrer, Herr König, beruhigte mich damals. Er meinte: „Spielen Sie weiter Golf, dann werden Sie besser, ob Sie wollen oder nicht.“ Und so kam es.
"Theoretisch ist Golf einfach"
Golf ist also ganz einfach?
Dr. Helmut Luft: Das ist natürlich glatt gelogen. Aber wenn man mein erstes Golfbuch gelesen hat, dann stimmt das zumindest theoretisch. Als Psychoanalytiker bin ich überzeugt davon, dass die meisten Störungen beim Golf ihre Ursache im Unterbewusstsein haben. Fehler und Schicksale aus der Vergangenheit schwingen immer mit. Ich selbst habe erst nach Jahren erkannt, dass ich als Feldarzt im Zweiten Weltkrieg eine Aggressionshemmung entwickelt habe, die mich an einem unbeschwerten Golfschwung gehindert hat. Erst als ich das durchschaut habe, konnte ich das Problem überwinden.
Bis zum vergangenen Jahr haben Sie noch an Golfturnieren teilgenommen. Was gab den Ausschlag für Ihr Karriereende als Turniergolfer?
Dr. Helmut Luft: Wenn es nach mir ginge, dann würde ich noch immer Turniere spielen. Aber ich muss akzeptieren, dass mein betreutes Golfen offenbar nicht mehr wettkampfkompatibel ist. Schon ein paar Jahre zuvor, mit 96, hat mein Körper begonnen, sich zu benehmen, als wäre er alt. Ich sehe nur noch 20 Prozent, brauche ein Cart, jemanden der mich begleitet und etwa 15 Minuten pro Bahn. Als einer, der sich gerne mit anderen misst, fehlen mir die Turniere jedoch sehr. Turniergolfer sind meine Wahlverwandten und ich möchte am liebsten weiterhin dazugehören.
"Bewege mich behutsam, um nicht zu stürzen"
Mit wem spielen Sie stattdessen?
Dr. Helmut Luft: Ich habe zum Glück eine Reihe von Freunden, die mit mir auf den Platz gehen. Seitdem ich selbst nicht mehr Auto fahre, bin ich auch Mitglied im Golf-Club Hof Hausen vor der Sonne, der ganz in meiner Nähe liegt. Dort gibt es einen tollen 6-Loch-Kurzplatz, auf dem ich gerne spiele. Allerdings ist der Platz etwas abschüssig, was ihn für mich gefährlich macht, wenn es ein bisschen feucht ist. Ein paar Mal bin ich auf dem Golfplatz gestürzt. Ich bilde mir ein, dass es an meiner Ausbildung als Fallschirmjäger liegt, dass ich mir keine Knochen gebrochen habe. Sechs bis acht Freunde habe ich schon in Folge von Stürzen verloren. Also bewege ich mich beim Golf bewusst ganz behutsam, wie ein alter Mann. Das geht mir absolut gegen den Strich.
Bei allem Aufwand und Risiko stellt sich die Frage: Was gibt Ihnen Golf?
Dr. Helmut Luft: Ich bin als Bauernbub die ersten fünf Jahre meines Lebens im Odenwald aufgewachsen. Bis heute erinnert mich eine Runde Golf an das Leben auf dem Land, in der Natur. Außerdem liebe ich den Klang eines gut getroffenen Schlages.
"Wer Golf spielt, bleibt fit im Kopf und auf den Beinen"
Viele hören mit 75, 80 oder 85 Jahren auf – manche wohl auch aus Resignation über das eigene Spiel.
Dr. Helmut Luft: Natürlich könnte ich über alle Einschränkungen frustriert sein, die ein in die Jahre gekommener Körper mit sich bringt. Aber ich plädiere dafür, seinen Schwung einfach an die Gegebenheiten anzupassen. Das ist auch das Thema meines zweiten Golfbuchs, „Golf für Junggebliebene“. Wer Golf spielt, bleibt fit im Kopf und auf den Beinen. Ich möchte anderen dabei ein Vorbild sein.
Gilt das denn tatsächlich für Golf mit Cart?
Dr. Helmut Luft: Früher habe ich Wagen gehasst. Ich habe zwei bis drei Mal pro Woche Golf gespielt, bei Wind und Wetter. Wer ein Cart braucht, der gehört nicht mehr auf den Golfplatz. Das war meine Meinung, bis ich mit Ende 80 vor der Entscheidung stand: Cart oder aufhören. Meine Liebe zu Golf war einfach zu groß, um auf ein Cart zu verzichten. Jeder Club hat eine eigene Philosophie, und im Golf-Club Hof Hausen vor der Sonne sind sie sehr großzügig zu mir.
Gibt es etwas, das Sie an Golf stört?
Dr. Helmut Luft: Oh ja. Ältere Golfer werden aus meiner Sicht durch das Vorgabesystem diskriminiert. Die Golfregeln wurden gemacht, als der Durchschnittsgolfer mutmaßlich noch Mitte 40 war. Im Alter werden Golferinnen und Golfer mit ihren Schlägen aber immer kürzer. Das liegt am natürlichen Rückgang der Muskelmasse. Warum tragen die Golfregeln dem nicht Rechnung? Ich fordere, dass „Supersenioren“ ohne Punktabzug von den roten Abschlägen spielen dürfen. Eine entsprechende Musterklage habe ich vorbereitet in der Schublade. Wahrscheinlich werden andere das Verfahren führen müssen. Aber ich wäre stolz, wenn dies eines Tages mein Vermächtnis für die Golfwelt würde.