Die Wettervorhersage sagt, es wird nass. Aber hat es beim Masters in Augusta in diesem Jahr nicht auch geregnet? Oscar Walter ist zum Glück kein Schön-Wetter-Golfer, und wer weiß, wohin ihn sein Weg noch führen wird. Im vergangenen Jahr hat der Schüler die Deutsche Meisterschaft der Altersklasse 14 gewonnen. Nervenstark hat er sich in der dritten und letzten Turnierrunde mit zwei unter Par noch vom geteilten siebten Platz zum Titel gespielt. Wir wollen sehen, was den jungen Spieler aus dem Licher Golf-Club so stark macht. Auf seinem Heimatplatz fordern wir ihn zu einem Duell heraus – im Regen.
Akustisches Flair von einem Schießstand
Auf der Driving-Range neben Oscar Walter zu stehen, hat fast das akustische Flair von einem Schießstand. Mit 107 Meilen pro Stunde drischt der 15-Jährige den Schlägerkopf seines Drivers gegen den Ball. Im vergangenen Winter sei es ihm zum ersten Mal gelungen, Lichs erste Bahn deutlich abzukürzen, indem er mit seinem Driver rechts über die Bäume geschlagen habe. „230 Meter muss der Ball dafür schon im Flug überwinden“, betont er. „Leider haben wir heute Gegenwind und Regen.“ Da versucht er das Kunststück erst gar nicht.

Gespielt wird von den hinteren Abschlägen, neun Löcher. Hole-in-one hat an den zwei schwierigsten Bahnen jeweils einen Schlag vor. Nicht weniger, aber auch nicht mehr – wir sind ja vom Fach. Vor lauter wetterbedingter Zurückhaltung spielt Oscar Walter seinen ersten Abschlag etwas zu weit rechts in den toten Punkt des Doglegs. Zwischen seinem Ball und der mehr als 250 Meter entfernten Fahne steht ein dichter Mix aus Bäumen und Büschen. „In einer offiziellen Zählspielrunde würde ich den Ball rüber auf die Bahn chippen, aber du hast hier ja einen Schlag vor, da muss ich das Risiko in Kauf nehmen“, sagt er und nimmt die Kampflinie.
Oscar Walters Ball verschwindet auf Nimmerwiedersehen
Der Mut zur Lücke im Dickicht, oder viel mehr die Hoffnung darauf, wird nicht belohnt. Krachend trifft der Ball des Deutschen Meisters einen Baumstamm und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Die Bahn geht für ihn verloren. Es könnte also tatsächlich ein spannendes Match werden.

Der Youngstar schlägt mit aller Macht zurück. Auf Bahn 2 überwindet er mit dem Driver spielend die Fairwaybunker. Ein Wedge, zwei Putts. Par. MAIN.golf bewirbt sich dagegen – nach mittelmäßigem Drive – mit dem zweiten Schlag um einen neuen Namen: Out of bounds. Ball weg. Wieder alles offen. Oscar Walter erzählt derweil, welcher Teil seines Spiels derzeit am meisten Luft nach oben habe: „Aus 90 Metern und weniger spiele ich noch zu viele Bogeys.“ Auf sein langes Spiel könne er sich wiederum verlassen.
Auf Bahn 3 will er einen 50 Zentimeter kurzen Putt zum Par geschenkt bekommen. Abgelehnt. „In Augusta gibt’s auch nichts geschenkt, außerdem ist der Putt bergab.“ Er schmunzelt. Und versenkt sicher. Wir teilen die Bahnen 3 und 4 mit Par. Als Oscar Walter im Nieselregen auf das Tee der fünften Bahn tritt und in der Ferne die Fahnenposition sieht, platzt es aus ihm heraus: „Yes.“ 204 Meter. Das traut er, der Athlet des erweiterten Junioren-Nationalkaders, wohl eher sich zu als der spielenden Golfbeilage. Mit Enttäuschungen umzugehen, kann man jedoch nicht früh genug lernen. Beide Par, das Match bleibt „all square“.
Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn?
Was dann passiert, liefert eine noch wichtigere Erkenntnis. Als auf Bahn 6 schon alles nach Gleichschritt aussieht, nach zwei weiteren Pars, versenkt Oscar Walter im strömenden Regen einen Putt aus acht Metern zum Birdie und zur Führung. Blinde Hühner finden auch mal ein Korn, sagt man. Aber für Deutsche Meister gilt: Ein Birdie kommt selten allein. Auch an Bahn 7 locht Oscar Walter aus unverschämter Distanz zum Birdie. Qualität setzt sich am Ende durch.
„Solche Putts musst du dir für wichtige Turniere aufheben“, rät der Pressemann nicht ganz uneigennützig. Bescheiden gibt der Führende zurück: „Ich wäre schon froh, wenn das im Turnier zuverlässig Pars würden.“ Das Momentum ist nun ganz seins. Ein weiteres Par von Oscar Walter auf Bahn 8, dann ist der Herausforderer geschlagen. Plötzlich scheint es, als stünde nur noch einer von uns im Regen. „Spielen wir die letzte Bahn trotzdem noch?“, fragt der Sieger mit einem spitzbübischen Lächeln.
Als wir die neunte Bahn hinunterlaufen, berichtet er von seinen anstehenden Turnieren. Etwa von der Deutschen Golf Liga, vom Vorausscheid für die Deutsche Meisterschaft im nahen Golf-Club Neuhof, diesmal AK16, vom Jugendländerpokal und einem Turnier in Tschechien. Jetzt, wo die Schulferien begonnen haben, steht für Oscar Walter – Zeugnis-Durchschnitt 2,2 – das Training noch mehr im Fokus als ohnehin schon. Seine Mutter, die HGV-Landestrainerin Verena Scholz, sagt: „Oscar brennt für Golf.“ Oscars Vater Thorsten Walter, ebenfalls HGV-Trainer, und sie würden ihren Sohn in seiner noch jungen Golfkarriere voll unterstützen.