Herr Morales, das deutsche Damen-Golf ist in den vergangenen Jahren aus dem Feiern nicht herausgekommen: Leonie Harm gewinnt 2018 als erste Deutsche die British Ladies Amateur Golf Championship, Esther Henseleit siegt 2019 in der Geldrangliste der Ladies European Tour (LET) und 2020 gewinnt Sophia Popov die British Open, Aline Krauter die British Ladies und Paula Schulz-Hanßen holt den Europameistertitel der Amateurinnen. Wie ist diese Entwicklung zu erklären?
Stephan Morales: Ich gebe zu, ich tue mich selbst schwer mit einer Erklärung. Neben einer sehr guten Spitzenförderung gelingt es uns gerade offenbar besser als anderen Nationen, Spielerinnen aus dem Amateurlager erfolgreich auf die Tour zu begleiten. Nur der Deutsche Golf Verband (DGV) und der schwedische Verband unterstützen Spielerinnen auch noch nach ihrem Sprung ins Profilager. Dafür verlangen wir allerdings schon von unseren Nationalspielerinnen, dass sie das klare Ziel haben, später einmal auf der Tour zu spielen.
Seinen Lebensunterhalt auf der Tour zu verdienen, ist gerade für Frauen unheimlich schwierig. Ein Plan B scheint insofern sinnvoll. Inwieweit aber stört eine Exit-Strategie beim Durchbeißen?
Stephan Morales: Der Plan B ist aus meine Sicht eine typisch deutsche Geschichte. Die meisten unserer jungen Tourspielerinnen haben ein College-Studium hinter sich und einen Abschluss in der Tasche. Eine Alternative zur Profi-Karriere ist also immer da. Ich finde das auch gut. Zugleich ist das College ein guter Härtetest, weil dort die komplette Weltklasse versammelt ist und die Golfplätze denen der Tour ähneln. Schaffe ich es dort nicht ins Team, sollte ich meinen Berufswunsch noch einmal überdenken.
Wie viele Tourspielerinnen können von Golf allein leben?
Stephan Morales: Um auf der LET ordentliches Geld zu verdienen, muss man die Saison schon unter den Top 10 beenden. Für die meisten ist die LPGA-Tour in den USA das Ziel, auf der deutlich höhere Preisgelder gezahlt werden. Aktuell haben dort sechs Deutsche eine Spielberechtigung. Wäre das auf der PGA-Tour der Herren so, gäbe es hierzulande vor Freude vermutlich kein Halten.
Laura Fünfstück aus dem Golf-Club Neuhof will auf die LPGA-Tour, Helen Kreuzer und Paula Kirner vom Frankfurter Golf Club haben dasselbe Ziel. Wie schätzen Sie die Chancen der drei Hessinnen ein?
Stephan Morales: Laura Fünfstück war 2019 Neunte der LET-Geldrangliste, wurde zuletzt aber durch eine Verletzung zurückgeworfen. Wenn sie fit ist, hat sie das Zeug für die LPGA-Tour. Helen Kreuzer und Paula Kirner bringen mindestens genauso viel Talent und Willen mit. Der DGV wird auch sie definitiv auf ihrem Weg unterstützen.
Stephan Morales (59) ist gebürtiger Frankfurter, hat in der Bundesliga für SAFO Frankfurt Feldhockey gespielt und war dort auch Hockeytrainer. Seine Ausbildung zum Golflehrer hat er im Golfclub Rheinhessen Hofgut-Wißberg absolviert. 2007 wurde er Bundestrainer der Mädchen. Seit 2013 ist Morales Damen-Bundestrainer.