Weibliches Greenkeeping? Jacqueline Siegel ist überzeugt davon, dass es das gibt. „Wir Frauen schauen einfach genauer hin, wo männliche Kollegen eher mal Fünfe gerade sein lassen.“ Perfektion, das weiß auch Siegel, ist unmöglich, wo Natur und Witterung mitspielen. In dieser Überzeugung kann man es sich bei der Platzpflege entweder bequem machen. Oder Tag für Tag sein Bestes geben, um dem Optimum möglichst nahe zu kommen. Im Kleinen bedeutet das, mit der Lochrandschere überstehende Halme stutzen. Oder auf dem Abschlägen die Course-Rating-Plaketten freischneiden. Jacqueline Siegel, Head-Greenkeeperin des Golf Club Würzburg, sagt: „Ich kenne nur 100 Prozent.“
Nur drei bis vier Prozent Frauen im Greenkeeping
In ihrer Rolle ist die gebürtige Thüringerin allerdings eine totale Exotin. Laut dem Greenkeeper Verband Deutschland (GVD) sind auf den Golfanlagen hierzulande nur drei bis vier Prozent der Platzarbeiter weiblich. „Ich weiß von zwei anderen Frauen, die in der Funktion als Head-Greenkeeper arbeiten“, berichtet die 48-Jährige. Ihnen hat sie jedoch die Ausbildung zur „Fachagrarwirtin geprüfte Head-Greenkeeperin“ voraus, die sie als Jahrgangsbeste absolvierte. Dabei sagt sie: „Ich hatte nie vor, auf einem Golfplatz zu arbeiten.“
Gelernt hat Jacqueline Siegel den Beruf der Kfz-Mechanikerin. Auch kein Betätigungsfeld, in dem es vor Frauen wimmelt. Aber die Liebe zum Schrauben und Tüfteln habe sie von Klein auf von ihrem Vater mitbekommen. Gerne hätte sie länger in der Werkstatt gearbeitet. Doch ihr einstiger Chef habe darauf bestanden, dass sie nach der Geburt ihres Sohnes wieder Vollzeit arbeite, Kompromisse ausgeschlossen. Siegel schaute sich daher anderweitig um, bewarb sich auf eine Stelle im Golfclub Bad Windsheim. „Als ich über die Anlage gefahren wurde, hatte ich Angst, dass ich allein niemals den Weg zurück finden würde“, erinnert sie sich und muss darüber schmunzeln.
24 Jahre später sagt sie: „Damals habe ich meinen Traumberuf gefunden.“ Schnell habe sie in der Männerdomäne Greenkeeping Fuß gefasst. Dabei habe ihr auch geholfen, dass sie keine Angst vor Maschinen hat, im Gegenteil. Es helfe ihr bis heute, dass sie höre, ob der Motor eines Mähers so klinge, wie er klingen soll. Und dass sie ihn im Zweifelsfall selbst reparieren könne. Ob Mann oder Frau, den Respekt der Kollegen erarbeite man sich durch überzeugende Arbeit, hat Siegel an all ihren Berufsstationen festgestellt – und ihren Weg gemacht.
Die längste Zeit hat sie im Golfclub Bad Windsheim gearbeitet, am Ende als Head-Greenkeeperin. Nach einem Intermezzo von zwei Jahren bei der Firma Sommerfeld, als Head-Greenkeeper-Springerin im süddeutschen Raum, bemühte sich der Golf Club Würzburg um Siegel. Als designierte Head-Greenkeeperin wurde sie in dem Leading Golf Club 2022 eine Saison lang von ihrem Vorgänger Marius Cazan eingearbeitet. „Marius hat den Golf Club Würzburg vor 30 Jahren mit gebaut und kennt hier jeden Grashalm und jede Leitung“, berichtet Siegel. „Eines Morgens meinte er nur noch zu mir: Jacqueline, was soll ich heute machen?“
Die Übergabe an der Spitze sei geglückt, weil die Nachfolgerin nicht das Bedürfnis gehabt hätte, sofort alles anders zu machen, sagt Würzburgs Clubpräsident Bernhard May. Eines der schönsten Komplimente, die sie bekommen habe, stamme von ihrem Vorgänger Marius Cazan, erzählt Jacqueline Siegel. Er selbst hätte gerne ein paar mehr Eigenschaften von ihr, gab er seine Nachfolgerin mit auf den Weg. Und meinte damit vor beispielsweise die gute Kommunikation im Team. Greenkeeping ist schließlich Teamwork, da hilft es, wenn jeder sich angesprochen und gehört fühlt.
Greenkeeperin Jacqueline Siegel steht um 3.30 Uhr auf
Um 3.30 Uhr klingelt bei Jacqueline Siegel an normalen Tagen der Wecker. Dann macht sie sich von Oberdachstetten bei Ansbach auf den Weg nach Würzburg, etwa 45 Minuten mit dem Auto. Die Ruhe, die am beginnenden Tag noch über der Golfanlage liegt, fasziniert die Head-Greenkeeperin seit jeher. Wenn die Sonne aufgeht und der Tau auf dem Rasen funkelt, teilen Siegel und ihre Platzmannschaft dieses Idyll nur mit Feldhasen, Rehen, Vögeln und anderen Tieren. „Wenn die meisten Golferinnen und Golfer ab 9 Uhr auf den Platz gehen, ist die Arbeit auf den kurzgemähte Flächen schon passiert“, betont Siegel. Das liege im Interesse der Greenkeeper, die dadurch teure Wartzeiten vermeiden. Die Golfer freue es, weil sie freie Bahn hätten.
Nachvollziehen kann Jacqueline Siegel das nur zu gut. Sie spielt nicht nur selbst Golf, sondern sogar sehr gut Golf (Handicap 9). Ihre Platzreife hat sie absolviert, da arbeitete sie schon zehn Jahre lang als Greenkeeperin. Eine gute und wichtige Entscheidung, wie Siegel findet: „Als Golferin nehme ich den Platz noch einmal anders wahr, gehe andere Wege, als ich bei der Arbeit fahre.“ Natürlich könne sie auf der Golfrunde nicht ganz aus ihrer Haut, habe immer einen Blick auf den Platzzustand, bessere auch mal zehn Pitchmarken aus.
„Kritik von Mitgliedern geht mir nah“, gesteht Siegel. Sie suche darin aber immer auch einen Ansatz, um die Dinge – wenn möglich – noch besser zu machen. Selbst trägt sie dazu bei, dass die Mitglieder besser verstehen, was auf dem Golfplatz passiert. Welche Pflegemaßnahme wann und warum nötig ist, erklärt Siegel regelmäßig im Newsletter des Clubs. Das kommt gut an und beugt Missverständnissen vor.
Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Dass wir jemanden für die sechste Stelle finden, die aktuell in unserem Greenkeeping-Team unbesetzt ist“, sagt Siegel. Warum nicht ein Quereinsteiger, der wie einst Siegel noch nichts von der Faszination der Aufgabe ahnt? „Und ich hätte gerne wieder ein Handicap von 7,2.“ Die Bedingungen dafür könnten schlechter sein als für Greenkeeperin Jacqueline Siegel: Wo genau die Fahnen stecken, und wie schnell die Grüns gerade rollen, das weiß niemand besser als sie.