Yannik Paul kann etwas erreichen, was von den deutschen Golfprofis vor ihm nur Bernhard Langer und Martin Kaymer schafften, nämlich in der Europa-Auswahl gegen die Besten der USA anzutreten. "Klar, ich will mich für den Ryder-Cup qualifizieren. Aber ich konzentriere mich erst einmal auf mich selbst, meine Turniere. Ich muss mich weiter entwickeln und durch gute Ergebnisse kommt dann die Nominierung von selbst", sagt der 29 Jahre alte gebürtige Frankfurter. Pauls Chancen beim größten Spektakel im Golf Ende September in Rom mitzuspielen, stehen nicht schlecht.
Im European-Team-Ranking war Paul Ende April Nummer drei der Top sechs, die sich automatisch für dieses Prestige-Duell qualifizieren. Aber auch über die sogenannte "Bubble" (Blase) – die Plätze direkt dahinter – könnte es klappen. Der englische Kapitän Luke Donald darf sechs Profis als "Captain’s picks" nach eigenem Gusto in sein Team holen. Dass er dabei auf Spieler zugreift, die sich in der "Bubble" befinden, ist wahrscheinlich.
Sieg bei der Mallorca Open 2022
Doch um als "Rookie" (Neuling) in das zwölfköpfige Team zu kommen, muss man viele gute Ergebnisse erzielen, besser noch Siege feiern. Beides ist Paul, der als bester Deutscher in der Weltrangliste auf Rang 104 (Stand Ende April) geführt wird, bereits gelungen. Ende Oktober des Vorjahres glückte ihm ein spektakulärer Coup bei der Mallorca Open. Aus rund fünf Metern versenkte er aus dem Vorgrün seinen Putt zum Birdie und zum Turniersieg. Es war der vorläufige Höhepunkt eines schnellen Aufstiegs.
Erst im Vorjahr hatte Paul durch seinen zweiten Platz im Abschlussturnier der Challenge Tour den Sprung in die erste europäische Liga geschafft – und schon bei seiner 26. Teilnahme auf der DP World Tour, der früheren European Tour, glückte ihm dieser Erfolg: "Dieser Sieg hat mir viel geholfen. Jetzt weiß ich, dass ich die Putts auch lochen kann, wenn es darauf ankommt." Auch in diesem Jahr lief es für ihn gut. Zwei Mal nacheinander landete er erst beim Thailand Classic und dann bei der Indian Open Ende Februar auf dem zweiten Platz. Während er in Bangkok keine Chance hatte, den Dänen Thorbjørn Olesen einzuholen, verspielte er in Neu-Delhi am Schlusstag seine Führung und musste den Sieg dem Ratinger Marcel Siem überlassen. "Wenn man vom ersten bis zum letzten Tag vorne liegt, will man natürlich auch gewinnen. Ich war nicht sonderlich nervös und habe Marcel den Sieg nicht geschenkt. Aber er hat im Gegensatz zu mir die entscheidenden Putts gelocht", erinnert sich Paul ohne Bitterkeit an diese verpasste Chance.
Yannik Paul telefoniert täglich mit Bruder Jeremy
Nach diesen beiden Saisonhöhepunkten gönnte sich Paul erst einmal eine Turnierpause bis Ende April und kehrte in seine amerikanischen Wahlheimat Scottsdale (Arizona) zurück, wo auch sein Zwillingsbruder Jeremy lebt. "Wir sind sehr eng miteinander verbunden", schildert Yannik das Verhältnis zu dem eine Minute älteren Jeremy, "wir trainieren jeden Tag miteinander. Wenn wir getrennt auf Turnieren unterwegs sind, telefonieren wir mindestens einmal am Tag."
Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die beiden eineiigen Zwillinge gehen seit frühester Jugend gemeinsam ihren Weg. Beide wurden am 5. März 1994 in Frankfurt geboren, verbrachte ihre ersten zwei Lebensjahre am Main, ehe die Familie nach Viernheim umzog. Die Großeltern spielten dort im GC Mannheim-Viernheim Golf, brachten erst ihren Sohn und dann beide Enkel im Alter von sieben Jahren zu diesem Sport. Anfangs wechselten beide zwischen Golf und Fußball, ehe sie sich mit 13 Jahren ganz dem Spiel mit Hölzern und Eisen widmeten. Zuvor hatten sie ein Angebot abgelehnt, das Internat des damaligen Fußball-Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern zu besuchen.
Rekordhalter der University of Colorado
Als Golfer schafften sie es in verschiedene Amateur-Nationalmannschaften, 2018 gewann Yannik Paul gemeinsam mit Hurly Long ("Er ist mein bester Freund auf der Tour.") für den GC Viernheim-Mannheim die deutsche Mannschaftsmeisterschaft, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt schon in den USA lebten. Denn nach dem Abitur nahmen sie 2013 ein Golfstipendium der University of Colorado in Boulder an. Beide stehen bis heute mit den niedrigsten Durchschnittsergebnissen in den Annalen des Buffaloes Golfteams.
Bei einem Abstecher zu einem deutschen Profiturnier, der BMW Open 2016 in Pulheim, gelang beiden eine Premiere. "Wir waren das erste Zwillingspaar, das auf der European Tour gespielt hat. Das haben wir den Højgaards voraus", scherzt Yannik. Die 22 Jahre alten dänischen Zwillinge Nicolai und Rasmus triumphierten als erstes Bruderpaar auf der European Tour 2021 in zwei aufeinander folgenden Wochen und zusammen fünf Mal.
"Ich will auf jeden Fall ein Major gewinnen"
Im Gegensatz zu den Dänen, die schon mit 19 Jahren ins Profilager wechselten, schlossen die Hessen ihr Studium des Business Management ab. Jeremy wechselte als erster im März 2017 ins Profilager, ein Jahr später folgte sein Bruder. Beiden gefiel der "American Way of Life", zumal sie Partnerinnen aus ihrer Wahlheimat gefunden hatten. Deshalb wollten sie von ihrem US-Domizil aus über die PGA Tour Canada bis in die PGA Tour aufsteigen. Die Corona-Pandemie stoppte sie zunächst. Doch 2021 qualifizierte sich Jeremy für die zweite US-Liga, die Korn Ferry Tour, und Yannik für die DP World Tour, auch weil ihn seine Freundin Kaela mit Mentaltraining unterstützt. Ihr Ziel bleibt nach wie vor ein gemeinsames. Beide wollen auf die PGA Tour spielen. "Ich will auf jeden Fall ein Major gewinnen und auf der PGA Tour so oft wie möglich siegen. Dann wird man vielleicht die Nummer eins der Welt", sagt Yannik Paul.