Ein Tag von Antje Heissel müsste eigentlich mehr als 24 Stunden haben, bei dem, was die gebürtige Berlinerin alles darin unterbringt und erledigt. „Ich würde mich als ordentlich und klar strukturiert bezeichnen“, sagt sie. „Meine Zeit möchte ich voll nutzten und dabei effizient sein. Das war schon in der Schule so, da habe ich Hockey, Tennis und Golf gespielt, war Reiten, beim Ballett und habe Geige gelernt. Und alles parallel.“ Heissel lächelt dabei entspannt und man nimmt ihr ab, dass sie nicht kokettiert.
Aufgewachsen ist die 26-Jährige als mittleres Kind mit zwei Brüdern. Da war geschwisterlicher Wettstreit an der Tagesordnung. Schon als Zweitklässlerin ging es für Antje Heissel mit der Familie von Hanau für drei Jahre nach Paris. Die nächste berufliche Station ihres Vaters brachte sie nach Boston. Französisch und Englisch in Wort und Schrift sind daher jetzt kein Problem. Zurück in Hanau war sie zur siebten Klasse, ihr Abi machte sie mit 1,3, und dazwischen wurde es auch ernst mit dem Golfspielen. Richtig angefangen mit 13 Jahren, mit 15 das einstellige Handicap und von der Oberliga-Damenmannschaft des Golf Club Hanau-Wilhelmsbad dann der Wechsel zum Golf-Club Neuhof mit der Herausforderung 2. Bundesliga. Dazu gewann sie zweimal Bronze bei den Hessenmeisterschaften, wurde Deutsche Vize-Hochschulmeisterin und belegte 2019 in der Deutschen Ligarangliste Platz elf.
Erster Trainerschein schon als Teenager
Wenig überraschend, dass in ihrer golferischen Vita schon im Teenageralter der C-Trainer-Schein steht. Das legte den Grundstein. „Mir ist es schon sehr schwer gefallen die Bundesliga aufzugeben,“ sagt Heissel, „aber an den Wochenenden bin ich als Trainerin in Neuhof auf dem Platz.“ Nach dem bestandenen Eingangstest zur Modulausbildung der PGA of Germany absolvierte sie die PGA-Ausbildung berufsbegleitend und mit dem Besuch von Tutorenseminaren. Es folgte die erfolgreiche Assistenten-Prüfung und zuletzt die Bestnote in der Abschlussprüfung: 1,09. Noch nie in der Geschichte der PGA of Germany, des Berufsverbands der Golfprofessionals, gab es nach der dreijährigen Ausbildung zum Fully Qualified Professional einen besseren Wert.
„Ich habe zwar keine Prüfungsangst, bin aber meistens sehr aufgeregt“, gibt Antje Heissel zu. „Das ist auch noch so, wenn ich bei einem Golfturnier am ersten Abschlag stehe. Allerdings kann ich das in positive Energie umwandeln und mich in solchen Situation gut konzentrieren.“ Fleiß sei eine weitere wichtige Tugend. Als Teil der Generation Z ist sie eine Digital Native. Von Karteikarten ist sie umgestiegen auf das Lernen per App. Mit großem Erfolg. Denn parallel zur Golflehrerausbildung macht die Wahl-Frankfurterin an der Goethe-Universität ihren Masterabschluss in International Economics and Economic Policy. Wie da die Abschlussnote aussehen könnte, ahnt man.
Wirtschaftsstudium ist der Plan B für Antje Heissel
Im beruflichen Fokus steht aber nun der kleine weiße Ball. „Golflehrerin und Trainerin, das ist mein Traumberuf“, sagt Heissel. „Mir gefällt Golf so gut, dass ich dabei erst einmal bleiben werde. Mein Wirtschaftsstudium ist aktuell der Plan B.“ Seit 2022 unterrichtet Antje Heissel im Golf-Club Neuhof, zunächst Einsteiger und Jugendliche, mit dem PGA-Abschluss jetzt auch Fortgeschrittene.
„Wir sind in Neuhof bei den Pros sehr gut aufgestellt, und zusammen Maximilian Röhrig und Martin Keskari bin ich bei den Kindern und Jugendlichen für den Leistungsbereich zuständig“, erläutert sie. Konkret heißt das, Antje Heissel trainiert alleinverantwortlich Jungen und Mädchen in der AK12 und als Co-Trainerin noch die AK16 und AK18 im Club im Dreieich. „Ich würde meinen Trainingsansatz als nett fordernd bezeichnen“, sagt sie. Je nach Alter sollen die Kinder auch eigene Lösungen finden. So bestand zum Beispiel eine Aufgabe für die AK12-Mädchen darin, ein eigenes Erklärvideo zu produzieren, was beim Chippen zu beachten ist.
Dass diese Arbeit Früchte trägt, sieht man daran, dass aus Neuhof aktuell elf Kinder und Jugendliche im Kader des Hessischen Golfverbands stehen. Und an leuchtenden Augen, wenn die Kinder nach dem Training zu ihr kämen und begeistert berichten, dass ihre Tipps geholfen hätten. „Es ist wundervoll so ein direktes Feedback zu spüren“, freut sich Antje Heissel, „weil ich dann wohl vieles richtig gemacht habe.“
„Bundestrainerin-Frage war hypothetisch“
Neben Kindern und Jugendlichen unterrichtet die 26-Jährige auch Erwachsene. „Noch vor der Technik ist mit das Erste, was wir in der Ausbildung gelernt haben, wie wir das Lernverhalten und die Persönlichkeit unseres Gegenüber erkennen können“, erklärt Heissel. „Je nachdem, ob deren Wahrnehmung eher visuell oder taktil ist, ändert sich meine Ansprache.“
Ich möchte Bundestrainerin werden, wurde Antje Heissel in einem Interview kurz nach Bekanntwerden ihrer Bestnote sehr plakativ zitiert. „Das war ja hypothetisch gefragt“, stellt sie klar. „Meine Antwort zielte eher darauf ab, dass ich gute Golferinnen und Golfer auf ihrem Weg, noch besser zu werden, begleiten möchte. Ich möchte meine Dinge sehr gut machen. Und für eine Bundestrainerin gilt: Sie macht ihre Sache sehr gut, deswegen ist sie Bundestrainerin.“