Vom Investmentbanker zum Golfplatz-Architekten – Hendrik Hilgert aus Oberursel wagte diesen ungewöhnlichen Wechsel. Nach einer Lehre als Bankkaufmann, dem Studium der Betriebswirtschaft, der Promotion in Volkswirtschaft in Hamburg verdiente er zwanzig Jahre lang im Investmentbanking in Frankfurt und London seinen Lebensunterhalt, ehe er sich 2014 entschloss, einen kompletten Neustart zu wagen. Da traf es sich gut, dass der Niederländer Frank Pont, ein Kollege aus gemeinsamen Bankzeiten, schon als erfolgreicher Golfplatz-Architekt arbeitete. Beide fanden in der Firma „Infinite Variety Golf“ wieder zueinander.
Seit nunmehr sechs Jahren arbeitet der 53-jährige Hilgert als Golfplatz-Designer – ohne eine Ausbildung für diese Tätigkeit absolviert zu haben. „Ich fühle mich als Quereinsteiger und Autodidakt in guter Gesellschaft. Tom Simpson und Harry S. Colt waren Rechtsanwälte, Dr. Alister MacKenzie war Chirurg, bevor sie sich der Golfplatz-Architektur widmeten“, sagt Hilgert. Er weiß, dass dies ein gewagter Vergleich ist. Denn die beiden Engländer Simpson (1877-1964) und Colt (1869-1951) und der Schotte MacKenzie (1870-1934) schufen im „goldenen Zeitalter“ der Golfplatz-Architektur einige der Plätze, die auch heute noch zu den besten der Welt zählen wie den Masters-Platz von Augusta National, Royal Portrush in Nordirland oder Morfontaine, Chantilly und Fontainebleau in Frankreich.
Noch zeichnet Hilgert mit seinem holländischen Partner Pont in Deutschland nur für einen neuen Platz verantwortlich. Sie entwarfen die Golfanlage Patting in der Nähe von Rosenheim. Die 2019 eröffnete Anlage besteht aus einem herkömmlichen 9-Loch-Platz (Par 29) und einem Novum und Unikat in Deutschland: einem 9-Loch „reversible course“, der im täglichen Wechsel mal im und mal gegen den Uhrzeigersinn gespielt wird. Damit wurde ein altes Konzept wieder zum Leben erweckt. Im 19. Jahrhundert wurden etliche Plätze in Großbritannien in wechselnden Richtungen gespielt. Sogar auf dem Old Course von St Andrews wurden bis 1870 wochenweise „lefthanded“ Runden, wie es die Einheimischen nannten, gedreht.
Hilgert folgt der Philosophie von Harry S. Colt
Die Liebe zu den Klassikern der Golfplatz-Architektur ist im Team Pont-Hilgert tief verankert. Beide wollen in ihren Arbeiten das Konzept des „strategischen Golf“ wieder beleben und wie der Firmenname „Unendliche Vielfalt“ verspricht. Ihr Ziel: Den Golfern möglichst eine Vielzahl unterschiedlicher Schläge abverlangen. „Die ersten Golfplatz-Architekten wie Tom Morris oder James Braid waren Golfprofessionals, die in erster Linie bestrafende Plätze mit vielen Bunkern, auch Cross-Bunkern quer über die Fairways bauten“, erklärt Hilgert. Dann seien Leute wie Simpson, Colt und MacKenzie gekommen und hätten ein ganz anderes Konzept verfolgt. Sie hätten die Hindernisse entlang der Ideallinie zum Grün gelegt, dabei aber immer noch einen anderen, vielleicht längeren Weg offen gelassen. Laut Hilgert ist es kein Wunder, dass diese Plätze heute immer noch so beliebt sind. „Auch wir verfolgen bei unseren Spielbahnen die Strategie, dem Spieler mehrere taktische Optionen zu bieten. Er kann aus einer aggressiven und einer defensiven Linie wählen“, sagt Hilgert.
Während Pont dieses Credo beim Entwurf von fünf neuen Plätzen in seiner niederländischen Heimat umsetzen konnte, konzentrierte sich Hilgert in Deutschland bislang vor allem auf die Restaurierung von Traditionsplätzen. Seine ersten Projekte waren Bunkersanierungen im Hamburger Golf-Club Falkenstein und im Golf- und Land-Club Köln-Refrath.
Bunkerrenovierung im Golf-Club Hof Hausen vor der Sonne
Auch in Hessen (Kassel Wilhelmshöhe) und im Rhein-Main-Gebiet ist Hilgert tätig. Im Golf Club Hanau-Wilhelmsbad wurde das 18. Loch, ein Par 5, im vergangenen Jahr nach seinen Plänen verkürzt und bekam dafür ein deutlich anspruchsvolleres Grün verpasst. Außerdem hat Hilgert in unmittelbarer Nähe zum Hanauer Clubhaus einen großzügigen Kurzspielbereich konzipiert sowie eine Wedge Range auf der Driving Range des Clubs. Das sind Betonplatten, die in unterschiedlichen Distanzen in den Boden eingelassen sind und bei einem Treffer eine sichtbare und hörbare Rückmeldung geben. „Mit einer Wedge Range hat Zach Johnson intensiv an seiner Distanzkontrolle gearbeitet, bevor er 2007 das Masters in Augusta gewonnen hat“, berichtet Hilgert. Im Golf-Club Hof Hausen vor der Sonne in Hofheim übernimmt er demnächst die Renovierung der Bunker, im Golf Club Schloss Braunfels soll er den gesamten Platz überarbeiten.
Bei Projekten in Deutschland leistet Hendrik Hilgert meist die Hauptarbeit, aber der 58 Jahre alte Pont ist immer mit von der Partie. Pont, ein gelernter Bauingenieur, absolvierte 2002 in Edinburgh ein zweijähriges Masters-Studium der Golfplatz-Architektur und volontierte danach bei einem Kollegen, dem Schotten David McLay Kidd, der durch seine Entwürfe in Bandon Dunes (Oregon) und dem Castle Course in St. Andrews weltbekannt wurde. „Alles was ich über Golfplatz-Design weiß, habe ich bei Frank Pont gelernt. Ich halte Frank für einen der besten europäischen Architekten“, sagt Hilgert. Pont gilt mittlerweile als ein Spezialist für die Restaurierung von Colt- und Simpson-Plätzen.
Hilgert und Pont lernten sich bei der gemeinsamen Tätigkeit als Investmentbanker in London kennen. „Während meiner Zeit in London habe ich viele Ausflüge zu den schottischen und irischen Golfplätze gemacht. Die waren so ganz anders als die Plätze, die ich als junger Student in Deutschland spielte“, sagt Hilgert, der sich selbst (Handicap 11) als passablen Golfer bezeichnet. Die Liebe zum Spiel, vor allem zu den schottischen Plätzen, hat ihn nie losgelassen.