Was John Brennand von den meisten Menschen unterscheidet, ist, dass er keine rechte Kniescheibe hat. Mit 14 verletzte er sich in einem Rugby-Match. Seine Kniescheibe war in sieben Teile gebrochen und wurde operativ entfernt. Rugby konnte sich der junge Engländer fortan abschminken. „Diese Geschichte war in doppelter Hinsicht schmerzhaft für mich und sportlich gesehen eine Zäsur in meinem Leben“, sagt Brennand fast 50 Jahre später. Dass er als Golfer auf die Tour ging und später nach Deutschland, wo er nun einer der dienstältesten Golflehrer ist, das fügte sich alles.
Rektor: Was können wir mit dir machen?
„Was können wir mit dir machen?“, habe ihn sein Schulleiter damals gefragt. In seiner Heimatstadt Kendal in Nordengland, kurz vor der schottischen Grenze, besuchte John Brennand immerhin ein sportorientiertes Gymnasium. „Ich kann auf den Golfplatz gehen“, habe er vorgeschlagen. Sein Vater, Metzger mit eigenem Betrieb, habe ihn schon einige Male mit zum Golf genommen. Der Rektor stimmte zu. „Ich bin dann jeden Tag auf dem Golfplatz gewesen“, erinnert sich Brennand. „Da wird man ziemlich schnell gut, auch ohne Coach.“
Zwei Jahre später habe er ein Handicap von 1 gehabt, wie einige andere Jungs im Team seines Golfclubs. Als er 17 war, habe er zu seinem Vater gesagt: „Ich will Golfprofessional werden.“ Nicht irgendwann. Sofort. Die Reaktion seines Vaters erstaune ihn bis heute, sagt Brennand. „Mach, was du willst“, habe er zurückbekommen. Bis heute deutet er die Antwort seines Vaters nicht als Gleichgültigkeit, sondern als Vertrauen. Immerhin habe er für Golf die Schule geschmissen. „Morgens habe ich in der Metzgerei meine Ausbildung gemacht, ab 15 Uhr habe ich Golf gespielt“, so Brennand.
British Youth, British Amateur, English Amateur – er sei als Amateurgolfer bei vielen hochkarätigen Golfturnieren gestartet. Leider nie für das englische Nationalteam. „Dafür hätte ich nicht besser Golf spielen, sondern wahrscheinlich aus einer anderen Ecke des Landes kommen müssen“, vermutet der Nordengländer.
John Brennand: "Psychisch nicht vorbereitet"
Brennand hat noch lebhafte Erinnerungen an seinen Wechsel ins Profilager, genauer gesagt an die Qualifying-School 1981 an der Algarve: „Sechs Tage Golf, für mich eine schreckliche Anspannung.“ Schließlich verliere man ein ganzes Jahr Zeit, wenn man dort nicht den Sprung auf die European Tour schafft. Brennand hielt stand und belegte Platz zehn. Was dann folgte, war für ihn allerdings eine ungleich größere Herausforderung. Nicht, dass er den Wettkampf gescheut hätte. „Aber ich war psychisch überhaupt nicht darauf vorbereitet, plötzlich gegen meine eigenen Helden anzutreten“, berichtet er. Oft sei ihm nicht mal der Cut gelungen.
Am Ende seiner ersten Saison hatte er seine Tourkarte verloren. Dafür gewann er die British PGA Championship der unter 25-Jährigen – und wohl auch deswegen einen Sponsor. Auch beim zweiten Anlauf gelang Brennand der Sprung auf die Tour. Nach zu vielen verpassten Cuts sei ihm allerdings irgendwann das Geld ausgegangen. So habe seine Tourkarriere nur dreieinhalb Jahre gedauert. Jahre, in denen er mit Golflegenden wie Severiano Ballesteros und Greg Norman zwar nicht um Turniersiege gekämpft, aber immerhin die ein oder andere Proberunde gespielt habe.
Brennands Vater verkaufte damals seine Metzgerei und Sohn John begann 1986 zuhause in Kendal eine Ausbildung zum Golflehrer. Der Beruf, der ihn drei Jahre später überraschend nach Deutschland bringen sollte. „Andrew Payne, der Betreiber des Golfpark Rosenhof, den ich aus meinem Nachbarort schon von klein auf kannte, rief mich eines Tages an und fragte mich, ob ich als Golflehrer in Hanau arbeiten könnte“, erzählt Brennand. Den idyllischen Golfclub in der alten Fasanerie kannte er schon von einem früheren Besuch bei Kumpel Andrew. „Ich hatte damals ohnehin die Nase voll davon, im Proshop in Kendal weiter Mars und Snickers zu verkaufen“, sagt Brennand mit einem Schmunzeln.
Mit zwei Betten und einer Couch nach Hanau
Im Februar 1989 habe er zwei Betten, eine Couch, Kleidung und seine Golfschläger in einen Kleintransporter gepackt und habe sich mit seiner Frau Trish und Tochter Danielle auf den Weg nach Hanau gemacht. „Ich habe kein einziges Wort Deutsch gesprochen“, erinnert sich Brennand. „Wir hatten vor, ein Jahr zu bleiben.“ Der Plan scheiterte.
„John ist jetzt 35 Jahre als Golflehrer hier und genauso wie seine Frau Trish fester Bestandteil unseres Clubs“, sagt Dorothea Christ, Präsidentin des Golf Club Hanau-Wilhelmsbad. Viele Erfolge des Clubs seien der Arbeit von John Brennand zu verdanken, der in Hanau offenbar sein Paradies als Golflehrer gefunden habe. Sie selbst nehme seit sechs Jahren Trainerstunden bei ihm. „Was John als Golflehrer auszeichnet, ist das richtige Wechselspiel aus Nähe und Distanz“, sagt Christ. Torsten Thum, seit ein paar Monaten ebenfalls Schüler von Brennand, findet: „John arbeitet mit seiner britischen Ruhe am perfekten Schwung und liefert mit seinem Humor die beste Motivation für seine Schüler.“
Einer der größten Erfolge, die John Brennand mit dem GC Hanau-Wilhelmsbad feiern konnte, liegt gar nicht lange zurück. 2021 gewann das von ihm gecoachte Team für viele überraschend die Hessische Mannschaftsmeisterschaft. Beim Sieg als Spieler dabei: Brennands eigener Sohn Matthew. Ein Sohn des Clubs, zu dem Brennand bis heute Kontakt hält, ist auch Alex Cejka. „Alex war 18, als ich nach Hanau kam, und er erzählte mir gleich, dass er Tourpro werden wolle“, so Brennand. Er habe lachen müssen. Im Wissen, was es dafür brauche. „Ich musste dann aber erkennen, dass Alex ein Arbeitsethos vom Allerfeinsten hatte.“ Von morgens um 8 Uhr bis abends zum Sonnenuntergang habe Cejka trainiert. Manchmal sei am Ende des Tages kaum noch Sand im Bunker gewesen.
Alex Cejka besucht John Brennand fast jedes Jahr
Der Hanauer Spross gewann später allein viermal auf der European Tour, wechselte 2002 auf die US PGA Tour und gewann auch dort. 2020 startete Cejka für Deutschland bei den Olympischen Spielen in Tokio. „Ganz besonders gefreut hat mich Alex‘ Sieg bei der Senior Open in Wales im vergangenen Jahr“, so Brennand. Cejkas Erfolge reklamiert er derweil nicht für sich. Schließlich habe nicht er dem hartnäckigen Burschen das Golfspielen beigebracht, sondern Andrew Payne.
Nichtsdestotrotz: Wenn Alex Cejka einmal im Jahr im Golf Club Hanau-Wilhelmsbad vorbeischaut, dann, weil er weiß, dass John Brennand immer da ist. Dann gehen sie zusammen auf den Platz, nicht zum Golfspielen, sondern um in den Wasserhindernissen Barsche und Hechte zu angeln. Und wer weiß, vielleicht lachen sie dann manchmal auch gemeinsam darüber, dass der junge John Brennand einst über die Tourpläne des jungen Alex Cejka gelacht hat.