Was eines Tages einmal aus dem kleinen Lothar, dem Fuldaer Bub, werden würde, lag mehr als nah. 80 Meter trennten das Haus der Familie Jahn mit ihren drei Söhnen vom Golfclub Fulda Röhn – genauer gesagt vom 18. Grün. „Der Golfplatz war für meine Brüder und mich wie ein großer Spielplatz“, erinnert sich Lothar Jahn. Mehr als 40 Jahre ist das her.
Vor dem Vergnügen wartete schon damals die Arbeit. Oder soll man sagen: die Aufbesserung des Taschengeldes? Denn Golfschläger hatte der kleine Lothar keine. Dafür besaß er mit seinen sechs Jahren einen solchen Geschäftssinn, dass er nicht nur eifrig Range-Bälle sammelte und sie für 50 Pfennig pro Korb an die Mitglieder verkaufte. Mit seiner Tüchtigkeit geriet er auch in den Blick einer golfenden Dame. Hilde Jungbluth, das war ihr Name, beschäftigte den Jungen kurzerhand als Caddie. Egal ob dienstags zum Damengolf oder zur Runde am Wochenende – stets erwartete sie ihr treuer Helfer pünktlich.
Eine Dame aus dem Club bezahlte seine Aufnahmegebühr
Manche Spielbahn war so steil, dass der frühberufene Caddie den Trolley nicht allein hinaufbugsiert bekam. Also half Frau Jungbluth eben beim Schieben. Zum Glück schmälerte das nicht ihre Dankbarkeit, die sie zu Anfang mit ein paar Mark zeigte und bald mit ersten Golfschlägern. „Frau Jungbluth hat mir nicht nur meine erste Golfausrüstung gekauft, sie hat sogar für mich die Aufnahmegebühr des Clubs bezahlt“, freut sich Lothar Jahn noch heute.
Die Schläger bedeuteten eine enorme Hilfe für das Range-Ball-Geschäft. „Ich habe ein paar Eimer in die Mitte der Range gestellt und die Bälle einfach alle dorthin gepitcht.“ Arbeit und Training wurden eins. Das zeigte Wirkung: Mit zehn Jahren spielte Lothar Jahn sein erstes Turnier. Mit 13 war er Clubmeister. Und als er mit 15 Jahren Handicap 0 erreicht hatte, gehörte er auch schon zur Jugendnationalmannschaft. „Ich habe auch sehr gerne und gut Fußball gespielt, aber es war natürlich reizvoller, mit dem Golf-Nationalteam durch die Welt zu reisen“, findet Lothar Jahn noch immer. „Spannender, als sonntags auf irgendeinem Dorfplatz zu kicken.“
Mit 16 Jahren war er überzeugt, dass Golf seine Bestimmung sei und dass dieser Sport sein Beruf werden müsse. Weniger sicher waren sich – wie oft in solchen Fällen – seine Eltern. Ihnen zuliebe machte der Sohn nach der Mittleren Reife eine Lehre und wurde staatlich geprüfter Augenoptiker. Ein Jahr Wehrdienst bei den Panzergrenadieren in Hammelburg kam noch dazwischen. Erst dann erfüllte sich sein Traum vom Berufsgolfer. Dafür in zweierlei Hinsicht: Zuhause in Fulda machte er bei Nick Staples die Ausbildung zum Golflehrer. Außerdem versuchte er sein Glück auf der Tour.
Lothar Jahn hat mehr als 40 Runden mit Bernhard Langer gespielt
„Knapp zehn Jahre habe ich auf der European Challenge Tour gespielt“, erzählt Jahn. „Immer wieder durfte ich dank meiner Kategorie auch auf der European Tour starten, unterm Strich bei 70 Turnieren.“ Der Kontakt zur Spitze war also da. Nicht zuletzt, weil der damalige Chef der Linde AG Hans Meinhardt – ein Fuldaer – den aufstrebenden Lothar Jahn immer wieder mit Bernhard Langer zusammenbrachte. „Ich habe bestimmt 40 Runden mit Bernhard gespielt“, schätzt Jahn. „Einmal fragte er mich vor einer Einspielrunde am ersten Tee, ob ich etwas dagegen hätte, wenn noch zwei andere mitspielen.“ Neben Langer standen zwei Major-Sieger und Ryder-Cup-Spieler: José María Olazábal und Mark O’Meara. „Ich werde die Runde nie vergessen, denn ich habe O’Meara nicht erkannt.“
Der endgültige Sprung auf die European Tour gelang Lothar Jahn nicht. Ob es die Enttäuschung darüber war oder eine gewisse Einsamkeit, von der viele Tourspieler berichten können – am Ende fand er sich abends allzu häufig an einer Bar wieder. „Irgendwann war ich alkoholsüchtig und nicht mehr in der Lage, mein bestes Golf zu spielen“, sagt er. Das Eingeständnis machte es vermutlich leichter, der reizvollen, aber für ihn ungesunden Tour den Rücken zu kehren. „Mehr als 18 Jahre ist das her, seitdem bin ich trocken.“
Nach einer kurzen Station als Golflehrer in Bad Münstereifel landete Lothar Jahn 2000 im Golf-Club Spessart und unterstützte dort den Club-Pro Steven Walker. „Als junger Lehrer denkt man, dass man die Weisheit mit Löffeln gefressen hat“, sagt er im Rückblick und lacht. Mit den Jahren habe er als Teaching Pro zu mehr Ruhe und Gelassenheit gefunden. „Die Überzeugungskraft von uns Golflehrern ist dank technischer Hilfsmittel, also Radarsystemen wie Trackman oder Flight Scope, auch größer geworden“, findet Jahn. Wenn es etwas gebe, auf das er besonderen Wert lege, dann sei es die immer gleiche Routine direkt vor dem Schlag. Mit dieser Überzeugung und unschätzbaren Erfahrungen ist Jahn Anfang April als Leiter der Golfschule in den Golfclub Fulda Röhn zurückgekehrt – dorthin, wo alles begann.