Gib mir zwei Stunden Zeit und ich zeige dir, wie geil Golf ist. Mein guter Kumpel Flo hat sich darauf eingelassen. Allein wäre er wohl nie auf die Idee gekommen. Er ist 34, spielt in jeder freien Minuten Volleyball und leider hat er schon das ein oder andere über Golf gehört, dass ihm Golfplätze nicht als Sehnsuchtsorte hat erscheinen lassen. Aber ich habe das Glück, dass er Golf eine Chance gibt. Weil er weiß, dass ich mein Glück auf Golfplätzen finde – seit 20 Jahren.
Flos erstes persönliches Aufeinandertreffen mit Golf ist eine ganz spontane Idee; wir haben beide an diesem Mittwoch frei. Ich will ihn auf der Driving-Range ein paar Schläge machen lassen, ihm ein Gefühl für die Herausforderung geben. Er wird feststellen: Golf ist viel schwieriger, als er geglaubt hat. Ich setze ganz auf seinen sportlichen Ehrgeiz. Am Ende werden wir vom Platz gehen und uns einig sein: Wir kommen zusammen wieder.
Leider findet in meinem Heimatclub an diesem Tag ein Turnier statt. Was mich jedoch zu der noch besseren Idee bringt, einen Golfclub mit öffentlichem 9-Loch-Kurzplatz, eine Viertelstunde südlich von Frankfurt, anzusteuern. Flo ist begeistert, dass er selbst auch spielen darf. Ich habe ihm ein altes Golfbag von mir mitgebracht. Meine ersten Eisen. Die habe ich mir gekauft, als ich frisch in Golf verliebt war. Sicher ein gutes Omen.
Magischer Moment, mürrischer Blick
Im Clubhaus bezahlen wir das Greenfee für den Kurzplatz, 20 Euro pro Nase, und gehen dann zur Driving-Range. Flo soll schließlich nicht ins offene Messer laufen. 14 Bälle kosten 2 Euro, ein fairer Deal, zumal der Golfclub keine Range-Gebühr erhebt. Ich erkläre Flo kurz, wie die Schläger heißen, wo bei ihnen oben und unten ist und wie er am besten zielt. Die ersten Schwünge – manche Golfer beschreiben diesen Moment später als magisch.
Mürrisch ist dagegen der Blick, mit dem ein Herr auf der ansonsten menschenleeren Driving-Range grußlos an uns vorbeigeht. Ich sehe das nur aus den Augenwinkeln, denn Flo und sein 9er-Eisen haben meine Aufmerksamkeit. Drei. Nur drei Versuche braucht er, dann fliegt der Ball. Fast 100 Meter weit. „Wenn ich das meinem Cousin erzähle, der fällt vom Glauben ab“, freut sich Flo und bittet mich, ein Foto zum machen. Sein Vetter in Berlin sei leidenschaftlicher Golfer. Perfekt. Ein weiterer Anknüpfungspunkt, freue auch ich mich, als ich den argwöhnischen Herren, der kein Hallo für uns übrig hatte, zwanzig Meter weiter im Schutz des Range-Unterstandes aufgeregt telefonieren sehe.
„Hier gibt einer strukturiertes Training“, berichtet er mit unterdrückter Stimme und doch hörbar genug. Ich bin völlig perplex, will das Missverständnis aufklären. „Ich gebe kein Training, sondern bringe einen Menschen mit Golf in Kontakt“, rufe ich ihm zu. Es stellt sich heraus: Der Herr ist Golflehrer, wittert Konkurrenz, womöglich Umsatzausfall. Ich weiß, dass es unter Golflehrern verpönt ist, im Revier eines anderen zu wildern. Aber was haben wir hier für einen Fall?
Wie wäre es mit: "Schön, dass Sie hier sind"
Ich erkläre dem Herren, was wir vor haben, betone noch stolz, dass aus diesem fantastischen Erstkontakt ein Artikel entstehen soll für die F.A.Z.-Golfbeilage. Es entspinnt sich eine Diskussion, die nicht weniger als zehn Minuten dauert. Was der Herr Golflehrer in dieser Zeit nicht sagt, sind Sätze wie: „Schön, dass Sie hier sind und Golf ausprobieren.“ Oder: „Wenn es Ihnen gefällt, kommen Sie gerne wieder und machen Sie bei uns Golflehrern Ihre Platzreife.“ Meinetwegen auch: „Wenn Sie bei uns Mitglied werden, dann können Sie auf elf verschiedenen Anlagen spielen.“ Am naheliegendsten aber: „Respekt, Sie treffen den Ball ja schon erstaunlich gut.“
Was er stattdessen sagt, ist: „Wenn Sie so etwas machen, dann melden Sie sich beim nächsten Mal bitte beim Management an, damit wir wissen, was hier passiert. Die haben ein rotes Telefon und erreichen uns immer. Wenn Sie jemanden zum Golfen bringen wollen, warum sind Sie dann nicht einfach am letzten Sonntag hierhergekommen? Da hatten wir ein „Members and Friends“-Turnier.“ Ich erkläre ihm, dass ich nicht Mitglied bin, aber bisher davon ausgegangen war, dass gerade der Betreiber dieser Golfanlage für geringe Hürden stehe. Und dass es eine spontane Idee gewesen sei, auf den Golfplatz zu gehen. Auf die Frage, warum er uns nicht direkt angesprochen habe, meint er: „Ich wollte nicht stören.“
"Ich hätte mich auf die Diskussion gar nicht eingelassen"
Als der unversöhnliche Austausch zu Ende ist, stehen Flo und ich völlig bedröppelt da. So viel Zeit hatten wir für die Range gar nicht eingeplant. Wie bitter: Ich wollte meinem Freund zeigen, wie zugänglich Golf sein kann. Stattdessen schaue ich in ein Gesicht, das sagt: Sind wir durch? Vom fliegenden 9er-Eisen spricht keiner mehr. „Ich hätte mich auf die Diskussion gar nicht eingelassen“, meint Flo. „Ich hätte ihm einfach gesagt: Wenn wir hier nicht erwünscht sind, dann können wir auch gehen.“ Er sucht nach Vergleichen und findet doch keinen. Man stelle sich vor, der Bademeister informiere die Geschäftsführung, weil man seinem Kind zeigt, wie es sich über Wasser hält. Tennis, Badminton, Bowling, Snooker, Darts – unvorstellbar, dass wir uns in einem anderem Sport ähnlich hätten rechtfertigen müssen. Aberwitzig.
Aber wir sind natürlich noch nicht durch. Die Begegnung liegt mir allerdings auch eine halbe Stunde später, als wir über den Kurzplatz gehen, noch quer im Magen. Seit 20 Jahren versuche ich, alle Lanzen zu brechen, die es für Golf gibt, seit 15 Jahren mehr und mehr auch beruflich. Dadurch habe ich viele Golflehrer getroffen und porträtiert, habe einige Golfmanager gesprochen, deren größter Kampf es Tag für Tag ist, Menschen auf ihre Anlagen zu bekommen. Ihr größter Feind und Endgegner ist das Klischee: Die wollen doch unter sich bleiben.
Gibt es bessere Botschafter als Freunde?
Wenn Golfer dann ihre Freunde mitnehmen zum Golf, dann ist das eigentlich ein Segen. Denke ich. Gibt es einen besseren Botschafter als einen Freund, der sagt: Vertrau mir, das ist cool? Einer, der einem erstmal sein altes Bag leiht, statt ihn zum Schlägerkauf in den Proshop zu schicken. Der in einem ungewohnten Umfeld für eine gute Atmosphäre sorgt.
Während Flo sich Schlag für Schlag immer weiter an die Faszination Golf herantastet, wird mir endgültig klar, wie wenig es braucht, um viel kaputtzumachen. Es reicht der Einzelfall, um den ramponierten Ruf zu betonieren. Ich hoffe, das war ein Einzelfall. Flo schlägt sich bravourös, lässt sich von zwei verlorenen Bällen nicht entmutigen und spielt auf dem 18. Golfloch seines Lebens sein erstes Par. Wahnsinn! Ob er nochmal mitkommt zum Golf, da bin ich mir nicht sicher. Mein Kalkül: Er hat jetzt schon mal einen Golfhandschuh für 22 Euro. Doch den hat er sich gekauft, bevor wir auf die Driving-Range gegangen sind.