Par 4, Abschlag, 200 Meter. Der Zweite landet noch nicht ganz auf dem Grün. Den chipt er drauf. „Und dann mach ich ihn rein“, so Thibault Hess und quittiert das mit einem Gesichtsausdruck, der keinen Zweifel aufkommen lässt, dass das auch so kommt. Der 13-Jährige aus dem Golf-Club Hof Hausen vor der Sonne hat allen Grund zum Selbstbewusstsein: Er darf sich Deutschlands bester Putter nennen, denn er hat 2021 die „Deutsche Puttliga“ gewonnen. Nicht in seiner Altersklasse, die gibt es gar nicht. Rund 2000 Golferinnen und Golfer aus 50 Clubs hatten sich beteiligt, sie alle hatten das Nachsehen gegen eines der größten Golftalente der Rhein-Main-Region.
Selbst die Größten des Golfsports in Deutschland dürften sich beim Putten an ihm die Zähne ausbeißen. Thibault Hess spielt pro Runde 23 Putts. Er nennt das „5 über“. An den 22 arbeitet er. 18 hält er für möglich. Die Frage, ob er sich auch mal einen Drei-Putt erlaubt hat, ist so weltfremd, als würde man einen Weltklasse-Marathonläufer fragen, ob er denn in der Lage sei, die 1000 Meter unter drei Minuten zu laufen.
Sein ungewöhnliches Talent hat Thibault Handicap 4 eingebracht. Die rasante Geschwindigkeit, in der er sich verbessert, läuft auf ein Profi-Niveau hinaus. Nichts anderes möchte er erreichen. „Sponsoren suchen, aufs College gehen und dann auf die Tour“, sagt Thibault Hess ohne Hauch eines Zweifels, es ist eine Feststellung. Vater Yannick sitzt daneben, quittiert es mit einem Lächeln. So sei er, der Junge. Extrem fokussiert, selbstbewusst, zielgerichtet.
„Ich staune jedes Mal, wie strategisch und intelligent er in Turniere geht. Er weiß um die Stärken und Schwächen seiner Gegner an jedem Loch und richtet sein Spiel darauf aus“, so der Vater, der seinen Sohn erstmals auf eine Golfrunde mitnahm, als dieser zwei Jahre alt war. „Weil meine Mutter mal nicht auf mich aufpassen konnte“, ergänzt der Junior. „Und wenn Papa seitdem mal ohne mich spielen wollte, habe ich so lange geweint, bis er mich mitgenommen hat.“ Seitdem sind beide auf den Plätzen der Republik, aber auch auf dem Globus unterwegs.
Thibault Hess: "Putten kann man – oder nicht"
Über 100 verschiedene habe Thibault seitdem gespielt und dabei ein weiteres Talent gezeigt. „Einmal gespielt, hat er jeden Platz gespeichert. Jedes Loch, jeden Score“, wundert sich dann doch der Senior, der seinen Sohn nie zum Golf spielen gedrängt hat. „Im Gegenteil, ich musste und muss ihn noch immer bremsen.“ Schule sei das Wichtigste, aber Thibault sei ein guter Schüler. Der 13-Jährige hält es im Übrigen für ausgeschlossen, dass ihn auf dem Weg zum Golfprofi irgendwas abhalten kann. Wie oft er trainiert? „Keine Ahnung, wir haben im Keller einen Golfsimulator“, meint Thibault. „Es gibt keinen Tag, den ich ohne Golf verbringe.“
Golfspielen ist sicherlich sein größtes Talent, aber Sport im Allgemeinen ist seine große Leidenschaft. Ob
Formel 1 oder Fußball, er kennt sie alle. Die Strecken, die Fahrer, die Spieler, die Turniere – er hat sie drauf. Golfturniere sowieso. Thibault Hess, ein liebenswerter Sportverrückter. Und ein Golfer mit einem ungewöhnlichen Talent: Putten. Und für alle, die damit in ihrem Spiel ein wenig hadern, hat er keinen Trost: „Wenn Du ein schlechter Putter bist, wirst Du immer ein schlechter bleiben. Entweder du kannst es, oder du kannst es nicht.“ Thibault kann es. Könnte noch ein bisschen an seiner Länge arbeiten. Par 4, Abschlag, 230 Meter mit dem Zweiten drauf. Und dann ...